Können Kinder im Internet Verträge schließen?

Viele Kinder bewegen sich sehr frei im digitalen Raum, weil sie Tablets und Smartphones schon in frühem Alter zu nützen beginnen. Es überrascht daher nicht, dass sie manchmal recht unbefangen kostenpflichtige Bestellungen aufgeben oder kostenpflichtige Abos eingehen. Dabei bleibt mitunter unklar, ob sie den konkreten Vertrag rechtlich überhaupt wirksam abschließen können. Diese Frage stellt sich umso mehr, wenn sie bei der Bestellung oder Anmeldung ein falsches Alter angeben oder wahrheitswidrig ihre Volljährigkeit bestätigen. Spätestens wenn der Anbieter dann Geld vom Kind verlangt oder ein Inkassobüro einschaltet, stellt sich die Frage, ob die Forderungen beglichen werden müssen.

Die Fähigkeit Verträge zu schließen oder rechtliche Erklärungen abzugeben, nennt man auch Geschäftsfähigkeit. Kinder haben nur eine begrenzte Geschäftsfähigkeit, d.h. sie können sich nur eingeschränkt zu etwas rechtlich verpflichten. Sobald eine Person aber das 18. Lebensjahr und damit die Volljährigkeit erreicht hat, verfügt es – soweit keine geistige Einschränkung besteht – über eine uneingeschränkte Geschäftsfähigkeit und kann sich ohne Zustimmung der Eltern rechtlich zu allem verpflichten. Vor Erreichen des 18. Lebensjahrs muss geprüft werden, ob ein Kind im konkreten Fall die Geschäftsfähigkeit zum Eingehen einer Zahlungsverpflichtung bzw. zum Abschluss eines Vertrags hatte. Ganz generell sieht das Gesetz gewisse Altersschwellen zur Abstufung der Geschäftsfähigkeit eines Kindes vor.

0-17 Jahre: Taschengeld-Paragraf

Kinder und Jugendliche bis einschließlich 17 Jahren können – ohne Zustimmung der Eltern – jedenfalls alterstypische geringfügige Geschäfte des alltäglichen Lebens (z. B. Kauf einer Kinokarte) rechtswirksam abschließen („Taschengeld-Paragraf“ gemäß § 170 Abs 3 ABGB). Ob es sich um ein alterstypisches, geringfügiges Geschäft handelt, wird anhand eines objektiven Maßstabs (d. h. unabhängig vom wirtschaftlichen Hintergrund des Kindes) beurteilt. Diese Geschäfte werden nur und erst dann wirksam, wenn die Verpflichtung des Kindes erfüllt wird (z.B. die Übergabe des Geldes beim Kauf der Kinokarte). Die vertragliche Verpflichtung des Kindes kann auch nachträglich oder durch jemand anderen (z. B. durch die Eltern) erfüllt werden, wodurch der Vertrag rückwirkend wirksam wird. Mit zunehmendem Alter wird der Kreis dieser geringfügigen Geschäfte weiter: Ein 13-jähriges Kind kann also schon bedeutendere Alltagsgeschäfte abschließen als ein 8-jähriges Kind. Ab dem 14. Lebensjahr kann sich ein Kind über diese geringfügigen Alltagsgeschäfte hinaus verpflichten, sofern gewisse Voraussetzungen vorliegen (siehe unten).

Unter-14-Jährige

Abgesehen von Taschengeld-Geschäften (siehe oben) kann ein Kind unter 7 Jahren – auch mit Zustimmung der Eltern – keine Verträge schließen. Wenn ein Kind im Alter von 7 bis 13 Jahren einen Vertrag im Internet schließt, bei dem es sich rechtlich zu etwas verpflichtet (z. B. zur Zahlung eines Kaufpreises oder – bei kostenlosen Diensten – zur Einhaltung gewisser Sorgfaltspflichten), ist ein solcher Vertrag (schwebend) unwirksam. Der Vertragspartner ist zwar gegenüber dem Kind an den Vertrag gebunden, aber nur wenn ein Elternteil bzw. der:die gesetzliche Vertreter:in des Kindes (gegenüber dem Kind oder dem Vertragspartner) den Vertragsabschluss des Kindes (stillschweigend) genehmigt, wird der Vertrag auch (rückwirkend) wirksam. Der Vertragspartner kann eine Frist für die Genehmigung setzen, nach Ablauf derer er nicht mehr an den Vertrag mit dem Kind gebunden ist.

Beispiel: Der 13-jährige Adam bestellt eine Spielkonsole zum unschlagbaren Preis von € 300,-. Es handelt sich wirklich um ein Schnäppchen, denn die Spielkonsole kostet normalerweise € 600,-  und Adam könnte die Konsole um mindestens € 450 weiterverkaufen. Die von Adam aufgegebene Bestellung führt zu keinem wirksamen Kaufvertrag, auch wenn das abgeschlossene Geschäft sehr günstig ist. Es handelt sich dabei nicht um ein geringfügiges Geschäft im alltäglichen Leben einer 13-jährigen Person. Der Kaufvertrag würde erst dann wirksam, wenn Adams Eltern den Kauf genehmigen.

14-17-Jährige

Auch die Geschäftsfähigkeit (d.h. die Fähigkeit zum Abschluss von Verträgen) von 14- bis 17-Jährigen ist noch eingeschränkt (§ 170 Abs 2 ABGB). Sie dürfen nur über ihr eigenes Einkommen (z. B. ein Lehrlingseinkommen) und über solche Vermögenswerte bestimmen, die ihnen zur freien Verfügung überlassen worden sind (z. B. Taschengeld, ein von der Tante geschenkter Wertgutschein für einen Onlineshop). Soweit Kinder im Rahmen dieser wirtschaftlichen Möglichkeiten Verträge abschließen, sind diese wirksam. Solche Verträge dürfen aber nicht den Unterhalt (d. h. die Befriedigung der dringenden Lebensbedürfnisse) des Kindes gefährden, ansonsten sind sie unwirksam. Bei der Frage, ob der Unterhalt des Kindes gefährdet ist, darf nicht davon ausgegangen werden, dass im Notfall ohnehin die Eltern für das Kind einspringen würden.

Beispiel: Der 16-jährige Benjamin liebt Sneakers und bestellt laufend neue Sportschuhe aus seinem Lehrlingseinkommen. Als er seine kaputten Winterschuhe ersetzen will, hat er kein Geld mehr dafür zur Verfügung. Auch seine Eltern geben ihm kein Geld, weil Benjamin ihrer Meinung nach den Umgang mit Geld erlernen müsse. Die fehlende Möglichkeit, seine kaputten Winterschuhe zu ersetzen, gefährdet die Befriedigung von Benjamins Lebensbedürfnissen. Benjamin hätte mit dem zuletzt ausgegebenen Geld Winterschuhe kaufen können. Daher sind die zuletzt von Benjamin abgeschlossenen Sneaker-Käufe unwirksam.   

Kind macht falsche Altersangaben

Manchmal geben Jugendliche bei der Bestellung oder Registrierung ein falsches Alter an und täuschen somit über ihre Volljährigkeit bzw. Geschäftsfähigkeit, um eine Bestellung oder Registrierung abschließen zu können. Aber auch die Angabe eines höheren Alters ändert nichts daran, dass sich die Kinder nicht wirksam über ihre Geschäftsfähigkeit (siehe oben) hinaus verpflichten können. Die vom (nicht geschäftsfähigen) Kind abgeschlossenen Verträge sind dennoch (schwebend) unwirksam, auch wenn das Kind höheres Alter angegeben hat.

Auch kann der App-Anbieter nicht über die Schiene des Schadenersatzes (wegen der Täuschung über das Alter) Geld vom Kind verlangen. Denn das Kind haftet nach überwiegender Meinung nur in jenem Ausmaß für Schadenersatz (culpa in contrahendo), in dem es auch geschäftsfähig ist (§ 865 ABGB). Der Vertragspartner kann vom Kind aber die über einen unwirksamen Vertrag erlangten Vorteile zurückfordern.

Manchmal wird, wenn das Kind falsche Angaben über sein Alter gemacht hat, dem Kind bzw. dessen Eltern auch eine strafrechtliche Anzeige gegen das Kind angedroht. Unter-14-Jährige können gar nicht strafrechtlich belangt werden, denn es fehlt ihnen die sogennate Deliktsfähigkeit bzw. Strafmündigkeit; sie haben also nichts zu befürchten. Aber auch eine strafrechtliche Verantwortung von 14- bis 17-Jährigen (z. B. wegen "Täuschung" gemäß § 108 StGB oder "Betrug" gemäß § 146 StGB) wird nur in eher seltenen Fällen vorliegen. Dafür ist nämlich unter anderem der (mögliche) Eintritt eines konkreten Schadens erforderlich. Ein solcher Schaden des Vertragspartners wird in vielen Fällen aber gar nicht vorliegen, z. B. wenn im Vertrauen auf einen gültigen Vertrag nur Zugang zu einem digitalen Inhalt gewährt wurde, aber gar keine nenenswerte Vermögensverschiebung zwischen dem Vertragspartner und dem Kind stattfand.

Eltern haften für ihre Kinder?

Entgegen einer weit verbreiteten Ansicht müssen Eltern nicht für jene Verträge geradestehen, die ihre Kinder ohne notwendige Geschäftsfähigkeit im Internet schließen. Die Eltern müssen also nicht die Verträge erfüllen, die ihr geschäftsunfähiges Kind ohne ihre Zustimmung abgeschlossen hat, sondern diese Verträge bleiben unwirksam. Die Eltern kann eventuell dann eine schadenersatzrechtliche Verantwortung treffen, wenn sie ihre Aufsichtspflicht über das Kind verletzt haben. Das Maß der Aufsichtspflicht richtet sich danach, welche schädigenden Handlungen des Kindes angesichts des Alters und der Entwicklung des Kindes vorhersehbar sind und vom Aufsichtspflichtigen vernünftigerweise verhindert werden können. Grundsätzlich sind Eltern nicht zur ständigen Kontrolle ihrer Kinder hinsichtlich der Internetnutzung verpflichtet, solange keine Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Nutzung vorliegen. Wenn also keine Aufsichtspflicht der Eltern bestand, scheidet auch eine schadenersatzrechtliche Haftung der Eltern für schädigende Handlungen ihrer Kinder aus.

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