Sind In-App-Käufe durch Kinder rechtlich wirksam?

Viele Smartphone-Spiele-Apps sehen vor, dass während des Spiels sogenannte „In-App-Käufe“ vorgenommen werden können. Abhängig von den Einstellungen auf dem Smartphone oder dem Tablet können solche In-App-Käufe sehr schnell – auch nur mit einem Klick – abgeschlossen werden. Es überrascht nicht, dass Kinder sehr leicht solche In-App-Käufe abschließen. Aber sind solche In-App-Käufe durch Kinder überhaupt rechtlich wirksam?

Bei diesen kleinen innerhalb einer Spiele-App vorgenommenen Transaktionen wird meist ein Betrag einer bestimmten virtuellen Währung (z. B. „Coins“, „Juwelen“, „Robux“ o. Ä.) erworben, mit der man darauf kleine Extras im Spiel (z. B. ein anderes Aussehen bzw. eine andere „Skin“, ein Ausrüstungsgegenstand, eine verlängerte Spielzeit usw.) kaufen kann. In-App-Käufe sind meist in kostenlose Spiele-Apps integriert und ein wesentlicher Teil des Geschäftsmodells solcher Gratis-Spiele („Freemium“ oder „Free-to-play“ bzw. „f2p“). Im App-Store wird bei der jeweiligen App angezeigt, ob In-App-Käufe vorgesehen sind. Rein rechtlich handelt es sich bei In-App-Käufen um Kaufverträge, die auch wie andere Kaufverträge zu beurteilen sind. Ob ein Kind solche Kaufverträge wirksam abschließen kann, soll in der Folge erörtert werden.

In-App-Kauf auf Gerät des Kindes

Allgemeines

Obwohl Kinder in Österreich nach den allgemeinen Nutzungsbedingungen eigentlich erst ab dem 14. Lebensjahr ein Konto bei Google oder Apple eröffnen dürfen, nutzen die meisten Kinder schon vor diesem Alter ein eigenes Smartphone oder Tablet. Meist geben die Eltern beim Einrichten des Geräts und dem Anlegen eines Kinderkontos einfach ein höheres Alter des Kindes an. Wenn in dem Konto des Kindes nun Zahlungsinformationen (z. B. Kreditkarte, PayPal, Kauf über Handyrechnung) hinterlegt werden (z. B. weil die Eltern einmalig eine bestimmte Lern-App kaufen möchten), kann es dazu kommen, dass das Kind eigenständig weiteres Geld über den App-Store oder über In-App-Käufe ausgibt. Wenn solche Kaufbestätigungen nur an die (neu eingerichtete) E-Mail-Adresse des Kindes gehen, bemerken Eltern oft erst auf den Kreditkartenabrechnungen, was da passiert ist.

Tipp:
Es gibt aber auch die Möglichkeit, einem unter-14-jährigen Kind ein Konto einzurichten, das dann über ein Eltern-Konto kontrolliert werden kann, z. B. Google Family Link.

Ob solche vom Kind vorgenommenen Transaktionen rechtlich wirksam sind, muss nach allgemeinen Regeln beurteilt werden. Es muss die Geschäftsfähigkeit (d. h. die Fähigkeit, Verträge zu schließen) des Kindes im konkreten Fall geprüft werden (siehe „Können Kinder im Internet Verträge schließen?“). Dabei kann es zum rechtlichen Ergebnis kommen, dass die vom Kind abgeschlossenen Kaufverträge unwirksam sind und die Leistungen rückgängig gemacht und bezahlte Beträge zurückerstattet werden müssten. Tatsächlich hängt es aber vom App-Anbieter und vom App-Store-Betreiber ab, ob bereits bezahlte Beträge zurückerstattet werden, denn eine gerichtliche Durchsetzung von Rückerstattungsansprüchen ist nur mit großem Aufwand möglich (siehe auch „Hohe Rechnungen durch In-App-Käufe der Kinder?“).

Unter-14-Jährige

Wenn ein:e Unter-14-Jährige:r einen In-App-Kauf vornimmt, ist diese Transaktionen nur dann rechtlich wirksam, wenn es sich dabei um alterstypisches geringfügiges Geschäft des alltäglichen Lebens handelt und der In-App-Kauf sofort durch das Kind oder durch jemand anderen (z. B. durch die Eltern) bezahlt wird („Taschengeld-Paragraf“ gemäß § 170 Abs 3 ABGB). Nach strittiger Ansicht reicht für die Erfüllung der Zahlungsverpflichtung des Kindes auch eine unerlaubte Zahlung mit der Kreditkarte der Eltern aus. Es muss sich aber auch in einem solchen Fall immer noch alterstypisches geringfügiges Geschäft des alltäglichen Lebens handeln, ansonsten ist es schwebend unwirksam (siehe unten). Je höher die für In-App-Käufe ausgegebenen Beträge, desto weniger werden solche In-App-Käufe alterstypische geringfügige Geschäfte darstellen.

Wenn es sich bei dem In-App-Kauf nicht um ein objektiv geringfügiges Alltagsgeschäft handelt (wobei sich dies auch daraus ergeben kann, dass zuvor schon mehrere andere kleine In-App-Käufe getätigt wurde und mit dem weiteren In-App-Kauf nun eine Schwelle überschritten wurde), ist ein solcher In-App-Kauf "schwebend unwirksam". Er wird erst mit Genehmigung eines Elternteils bzw. des:der gesetzlichen Vertreter:in wirksam. Die vorab von den Eltern erteilte Erlaubnis zur Nutzung der Kreditkarte der Eltern kann nur sehr eingeschränkt als eine solche vorherige Zustimmung der Eltern gedeutet werden. Denn eine solche Zustimmung der Eltern wird nur für solche Apps oder Inhalte gelten, deren Kauf vorab zwischen dem Kind und den Eltern besprochen und vereinbart wurde. Wenn keine Zustimmung der Eltern erteilt wird, bleibt der In-App-Kaufvertrag rechtlich unwirkam und es muss nicht bezahlt werden.

Beispiel: Der 13-jährige Adam aus reichem Hause meldet sich um € 49,90,- pro Monat für eine einjähriges Spiel-Abo an und beabsichtigt, die monatlichen Gebühren aus seinem Taschengeld zu bezahlen. Es handelt sich dabei nicht um ein objektiv geringfügiges Geschäft des alltäglichen Lebens eines 13-jährigen Kindes. Dies ist unabhängig von den finanziellen Verhältnissen eines Kindes zu prüfen. Sofern Adams Eltern nicht zustimmen, ist Adams Anmeldung für das einjährige Spiele-Abo unwirksam.

14-17-Jährige

Hingegen können 14- bis 17-Jährige wirksam In-App-Käufe abschließen, soweit sie dafür ihr eigenes Vermögen verwenden (z. B. ihr Taschengeld, ihr Lehrlingseinkommen, ein von der Tante geschenkter Wertgutschein für den Google-Playstore) und durch diese In-App-Käufe nicht der eigene Unterhalt (d. h. die Befriedigung der Lebensbedürfnisse) gefährdet wird. Bei der Frage, ob der Unterhalt des Kindes gefährdet ist, darf nicht davon ausgegangen werden, dass im Notfall ohnehin die Eltern für das Kind einspringen würden. Die Gefährdung des Unterhalts kann sich auch erst aus einer Summe von mehreren In-App-Käufen ergeben. So mögen in-App-Käufe in einem Ausmaß von EUR 100,- noch nicht den Unterhalt des Kindes gefährden. Wenn das Kind über eine bestimmte Schwelle hinaus In-App-Käufe vornimmt, wird man aber von einer Gefährdung der unmittelbaren Lebensbedürfnisse ausgehen müssen. Dann sind alle jenseits dieser Schwelle vorgenommenen Mini-Transaktionen rechtlich unwirksam.

Beispiel: Der 14-jährige Schüler Cosmo hat sein eigenes Google-Nutzerkonto und spielt gerne Fortnite. Nachdem ihm seine Lieblingstante nicht weniger als vier € 50,- Wertgutscheine für den Google Play-Store geschenkt hat, gibt er innerhalb eines Tages € 200,- für Zusatzausrüstung aus. Cosmo kann diese Käufe wirksam abschließen, weil ihm dieses Geld zur freien Verfügung überlassen wurde und sein Lebensunterhalt dadurch nicht gefährdet wird.

Beispiel: Der 14-jährige Schüler Cosmo ist von seinem neuen Spiel in den Bann gezogen. Eines Abends zieht er seinem Vater dessen Kreditkarte aus der Brieftasche und hinterlegt die Kreditkarte als Zahlungsinformation in seinem Google-Nutzerkonto. In den darauffolgenden Wochen gibt Cosmo in Summe € 1.200,- für virtuelle Währung in seinem Lieblings-Game aus, bis sein Vater die Abbuchungen auf seiner Kreditkartenabrechnung bemerkt. Comos Käufe virtueller Währung in der Gesamthöhe von € 1.200,- sind unwirksam, weil es sich um kein alterstypisches geringfügiges Geschäft im Leben eines 14-jährigen Jugendlichen handelt und seine Eltern keine Zustimmung zu diesen In-App-Käufen gegeben haben.

Kind macht falsche Altersangaben

Oft geben Eltern oder das Kind selbst bei der Registrierung des App Store-Kontos ein falsches Alter des Kindes, um ein Konto einrichten zu können. Dabei wird zwar der App Store-Betreiber über die Volljährigkeit bzw. Geschäftsfähigkeit des Kindes getäuscht. Dies ändert aber nichts daran, dass sich das Kind nicht wirksam über ihre Geschäftsfähigkeit hinaus verpflichten kann (siehe oben). Die vom (nicht geschäftsfähigen) Kind abgeschlossenen Verträge sind daher dennoch (schwebend) unwirksam, auch wenn das Kind höheres Alter angegeben haben sollte. Die Angabe eines höheren Alters bewirkt keine Geschäftsfähigkeit des Kindes. Auch wird der App-Anbieter kaum über die Schiene des Schadenersatzes (wegen der Täuschung über das Alter) Geld vom Kind verlangen können. Denn das Kind haftet nach überwiegender Meinung nur ebenso eingeschränkt für Schadenersatz (culpa in contrahendo) wie es auch geschäftsfähig ist. Der App-Anbieter könnte vom Kind aber über die In-App-Käufe erlangten Vorteile zurückfordern, sofern diese noch nicht bereits vom Kind verbraucht wurden.

In-App-Kauf auf Gerät der Eltern

Allgemeines

Oft spielen Kinder Spiele auf dem Smartphone oder dem Tablet der Eltern. Sie schließen dann die In-App-Käufe über das App-Store-Konto der Eltern, auf dem möglicherweise Zahlungsinformationen (Kreditkarte, PayPal-Konto, Abrechnung über Mobilfunk-Anbieter) der Eltern hinterlegt sind. Ein Vertrag zwischen dem Kind und dem App-Anbieter kommt in einem solchen Fall nicht zustande, weil das Kind gar nicht im eigenen Namen handelt und meist auch nicht die Geschäftsfähigkeit zum Abschluss der In-App-Käufe hat (siehe oben). In Frage kommt nur ein Vertrag zwischen dem Elternteil und dem App-Anbieter, weil das Kind den In-App-Kauf über das Konto des Elternteils (und damit ja quasi „im Namen“ der Eltern) tätigt. Das Kind kann aber nur dann einen Vertrag für seine Eltern abschließen, wenn es von seinen Eltern dazu bevollmächtigt (ermächtigt) wurde.

Anscheinsvollmacht

Wenn die Eltern dem Kind das Smartphone oder das Tablet mit der klaren Vorgabe überlassen, damit keine In-App-Käufe zu tätigen, kann von einer Bevollmächtigung (Ermächtigung) des Kindes zum Abschluss von In-App-Käufen keine Rede sein. Es ist allerdings denkbar, dass die Eltern mit der Überlassung eines ungesicherten Geräts eine Handlung (einen äußeren Rechtsschein) setzen, aufgrund derer der App-Anbieter auf eine von den Eltern an das Kind erteilte Vollmacht zur Durchführung solcher In-App-Käufe vertrauen darf (Anscheinsvollmacht). Eine solche Anscheinsvollmacht wirkt rechtlich wie eine echte Vollmacht zur Durchführung von In-App-Käufen.

Von einer solchen Anscheinsvollmacht wird man aber nur bei einem wiederholten bzw. dauerhaften Verhalten der Eltern reden können. Wenn das Kind also in der Vergangenheit bereits In-App-Käufe getätigt hat und die Eltern dagegen keinen Einspruch erhoben haben, kann ein App-Anbieter darauf vertrauen, dass die Eltern zu diesen In-App-Käufen bevollmächtigt haben. Ein App-Anbieter darf aber nur in gutem Glauben auf eine solche Anscheinsvollmacht vertrauen. Wenn also In-App-Käufe getätigt werden, die für eine erwachsene Person untypisch sind, wird der App-Anbieter nicht in gutem Glauben auf eine solche Vollmacht vertrauen dürfen und liegt dann auch keine Anscheinsvollmacht vor. Es kommt dann kein wirksamer Vertrag zwischen dem App-Anbieter und dem Elternteil zustande.

Beispiel: Da Davids Vater seine Ruhe haben will, überlässt er dem 14-jährigen David sein Smartphone zum Spielen. Davids Vater geht davon aus, dass David keine Käufe über sein Smartphone tätigen kann. Als Davids Vater einige Zeit später seine Kreditkartenabrechnung kontrolliert, stellt er überrascht fest, dass David Hunderte Euro für „Juwelen“ in seinem Lieblings-Game ausgegeben hat. Davids Vater wird sich darauf berufen können, dass David die In-App-Käufe nicht wirksam in dessen Namen abgeschlossen hat, weil er David den Kauf nicht erlaubt hat und es erst zum ersten Mal zu einem solchen Vorfall kam.

Schadenersatzanspruch gegen die Eltern?

Wenn es mangels einer Anscheinsvollmachts zu keinen wirksamen Kaufverträgen zwischen App-Anbieter und Elternteil gekommen ist, wäre immer noch ein Schadenersatzanspruch des App-Anbieters gegen die Eltern wegen der fahrlässigen Überlassung der Zugangsdaten an das Kind denkbar. Doch für den App-Anbieter tritt durch das rechtsgrundlose Zur-Verfügung-Stellen der App-Inhalte (d.h. durch die Übertragung der „Juwelen“ usw. auf das Konto usw.) kaum ein konkreter Schaden ein, der von den Eltern ersetzt werden könnte oder müsste. Außerdem wird man auch von einer Schadensminderungsobliegenheit des App-Anbieters ausgehen müssen, wenn dieser nicht guten Glaubens war und wider besseren Wissens die (für Erwachsene untypischen) Inhalte zur Verfügung gestellt hat.

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