Habe ich beim Kauf eines digitalen Produkts ein Widerrufsrecht?

Grundsätzlich haben Sie auch beim Kauf eines digitalen Produkts ein Widerrufsrecht. Dieses Widerrufsrecht kann jedoch mit dem Download des digitalen Inhalts oder dem Zugang zum digitalen Inhalt frühzeitig erlöschen.

Beim Kauf digitaler Produkte müssen Sie unterscheiden, ob es sich um einen digitalen Inhalt oder um eine digitale Dienstleistung handelt. Die Unterscheidung ist wegen der unterschiedlichen Regelungen für das Widerrufsrecht sehr wichtig. Bei einem Vertrag über digitale Dienstleistungen können Sie nämlich normalerweise noch innerhalb der ersten 14 Tage nach Vertragsabschluss entscheiden, ob Sie die digitalen Dienstleistungen weiter in Anspruch nehmen wollen oder nicht. Beim Vertrag über einen digitalen Inhalt kann das Widerrufsrecht hingegen unter bestimmten Voraussetzungen sofort erlöschen (siehe unten).

Digitaler Inhalt oder digitale Dienstleistung?

Ob es sich bei einem  Kauf eines digitalen Produkts um einen "Vertrag über die Bereitstellung eines digitalen Inhalts" oder um einen "Vertrag über digitale Dienstleistungen" handelt, lässt sich nicht immer klar beantworten. Bei einem Vertragen über einen digitalen Inhalt wird Ihnen ein digitaler Inhalt meist einmalig bereitgestellt (z.B. in Film, ein e-book, eine Software usw., die Sie auf Ihr Smartphone oder Notebook herunterladen können). Dagegen werden Ihnen bei einem Vertrag über digitale Dienstleistungen internetgestützte Dienstleistungen meist über einen längeren Zeitraum (z.B. in einem Abo-Modell) zur Verfügung gestellt. Im Zweifel soll es sich um einen Vertrag über digitale Dienstleistungen handeln (Erwägungsgrund 30 der Richtlinie (EU) 2019/2161).

Beispiele für digitale Inhalte: ein Film bzw. Videodatei, eine Musikdatei, ein e-Book, ein herunterladbares Computerspiel, virtuelle Gegenstände in einem Computer-Spiel (In-App-Käufe), ein Non-Fungible-Token (NFT) usw.

Beispiele für digitale Dienstleistungen: eine Dating-Plattform, Soziale Medien, ein Abo für Online-Zeitungen, ein internetgestützter Navigationsdienst, ein Webmail-Dienst, ein Online-Computerspiel bzw. eine Software in einer Cloud-Umgebung, ein Hosting- oder Cloud-Speicher-Dienst usw.

Vielfach wird erst geklärt werden müssen, ob es sich bei einem bestimmten Vertrag um einen Vertrag über die Bereitstellung eines digitalen Inhalts oder um einen Vertrag über eine digitale Dienstleistung handelt (siehe am Beispiel eines Streaming-Dienstes: OLG München, Urteil vom 30.06.2016, 6 U 732/16).

Widerrufsrecht bei Vertrag über digitalem Inhalt?

Bei einem Vertrag über einen digitalen Inhalt kann Ihr Rücktrittsrecht bereits mit der Bereitstellung des digitalen Inhalts erlöschen. Der mögliche Verlust des Widerrufsrechts ist verständlich, weil der Kauf eines digitalen Inhalts kaum rückgängig gemacht werden kann. Wenn Sie einen digitalen Inhalt einmal heruntergeladen haben, befindet sich der digitale Inhalt ja bereits auf Ihrem Gerät.

Ihr Widerrufsrecht erlischt aber nur unter den folgenden Voraussetzungen (§ 18 Abs 1 Z 11 FAGG):

  • Sie haben auf informierter Basis ausdrücklich zugestimmt, dass Sie bereits vor Ablauf der Rücktrittsfrist Zugang zu dem digitalen Inhalt haben möchten. Diese ausdrückliche Zustimmung muss typischerweise durch das aktive „Anhaken“ eines Kästchens mit diesem Verlangen nach sofortigem Vertragsbeginn gegeben werden.
  • Sie haben ausdrücklich zur Kenntnis genommen, dass Sie mit der sofortigen Bereitstellung des digitalen Inhalts Ihr Widerrufsrecht verlieren. Diese Bestätigung könnte ebenso durch „Anhaken“ eines Kästchens abgegeben werden.
  • Sie haben eine Bestätigung über den Vertragsabschluss, über Ihre Zustimmung zu sofortigen Leistungserbringung sowie über ihre Kenntnisnahme des Verlusts des Widerrufsrechts auf einem dauerhaften Datenträger (Papier, E-Mail, PDF usw.) erhalten.
  • Das Unternehmen hat begonnen, Ihnen den digitalen Inhalt bereitzustellen. Stellt das Unternehmen einen Link zum Streamen oder Herunterladen des digitalen Inhalts bereit, geht das Widerrufsrecht erst verloren, wenn Sie den Link aktiviert haben (Leitlinien zur Auslegung und Anwendung der Verbraucherrechte-Richtlinie 2011/83/EU, Pkt. 5.7., S. 62).

Wenn die oben genannten Voraussetzungen nicht eingehalten werden, können Sie den Kauf des digitalen Inhalts widerrufen. Sie können den Vertrag also etwa auch dann noch widerrufen, wenn Sie keine Bestätigung über Ihre ausdrückliche Zustimmung und Ihre Kenntnisnahme vom Verlust des Rücktrittsrechts per E-Mail erhalten haben. Sie müssen in diesem Fall nichts für den digitalen Inhalt bezahlen, auch wenn Sie den digitalen Inhalt bereits heruntergeladen haben (§ 16 Abs 3 FAGG). Wenn Sie nicht ordnungsgemäß über Ihr Widerrufsrecht informiert worden sind, können Sie den Vertrag sogar innerhalb einer um bis zu 12 Monate verlängerten Rücktrittsfrist widerrufen ("Wie lange ist die Rücktrittsfrist?"). Sie dürfen im Fall des Widerrufs den digitalen Inhalt aber nicht mehr nutzen oder weitergeben (§ 16 Abs 5 FAGG).

Beispiel: Münire will ihr Notebook vor Viren schützen und will dazu eine Software (Anti-Virus-Programm) kaufen. Als sie Ihre persönlichen Daten auf der Website des Anbieters der Software eingibt und für das Anti-Virus-Programm bezahlt, wird an keiner Stelle ein Rücktrittsrecht oder Widerrufsrecht erwähnt. Münire kann sich nach dem Zahlungsvorgang das Anti-Virus-Programm sofort herunterladen und installieren. Nachdem sie das Programm einige Wochen lang genutzt hat, stellt Münire fest, dass sich alle Arbeitsprozesse auf ihrem Notebook durch das Anti-Virus-Programm verlangsamt haben. Sie will daher den Kauf der Software rückgängig machen. Münire kann den Kaufvertrag über die Software noch widerrufen, weil sie weder über einen Verlust des Rücktrittsrechts informiert wurde noch die sofortige Bereitstellung der Software verlangt hat und auch keine Bestätigung über diese Umstände in Form eines E-Mails bekommen hat.

Widerrufsrecht bei Vertrag über digitale Dienstleistung?

Bei einem Vertrag über digitale Dienstleistungen erlischt das Widerrufsrecht erst dann, wenn die digitalen Dienstleistungen vollständig erbracht wurden und vorher die folgenden Voraussetzungen eingehalten worden waren (§ 18 Abs 1 Z 1 FAGG):

  • Sie haben auf informierter Basis ausdrücklich verlangt, dass der Anbieter mit den digitalen Dienstleistungen bereits vor Ablauf der Rücktrittsfrist beginnen soll. Dieses Verlangen nach einem sofortigen Beginn der Dienstleistungen muss typischerweise durch das aktive „Anhaken“ eines Kästchens zum Ausdruck gebracht werden.
  • Sie haben ausdrücklich zur Kenntnis genommen, dass Sie mit der vollständigen Vertragserfüllung Ihr Widerrufsrecht verlieren.

Sie müssen also typischerweise eine Checkbox mit dem folgenden Inhalt ankreuzen:

­"Hiermit verlange ich, dass mir der digitale Dienst noch vor Ablauf der 14-tägigen Widerrufsfrist zur Verfügung gestellt wird. Ich nehme zur Kenntnis, dass ich mein Recht auf Widerruf des Vertrags mit der vollständigen Erbringung der Dienstleistungen verliere bzw. dass ich einen anteiligen Betrag für bereits erbrachten Leistungen bezahlen muss."

Sie verlieren Ihr Widerrufsrecht nur dann, wenn die oben genannten Voraussetzungen eingehalten wurden und die digitalen Dienstleistungen vollständig erbracht wurden. Wenn Sie beispielweise Zugang zu einer digitalen Plattform für einen bestimmten Zeitraum haben sollen (z.B. 12-monatige Mitgliedschaft), tritt der Verlust des Rücktrittsrechts erst nach Ablauf des vertraglich vereinbarten Zeitraums ein. Der Widerrufsrecht erlischt also nicht bereits dann, sobald die digitalen Dienstleistungen begonnen wurden (im Gegensatz zur Bereitstellung eines digitalen Inhalts).

Wenn Sie die digitalen Dienstleistungen bis zu Ihrem Widerruf teilweise konsumiert haben, müssen Sie eventuell einen anteiligen Betrag bezahlen, der dem Marktwert der bis zum Rücktritt erbrachten digitalen Dienstleistungen entspricht (§ 16 Abs 1 FAGG). Wenn Sie das Unternehmen über eine solche Zahlungspflicht nicht vorab informiert hat, müssen Sie für die bis zu Ihrem Widerruf erbrachte Leistungen allerdings gar nichts bezahlen (§ 16 Abs 2 FAGG). Dies ist eine Strafe für das Unternehmen, wenn es Sie vor Ihrem Vertrag nicht ausreichend informiert hat. Sie dürfen die digitalen Dienstleistungen nach Ihrem Widerruf nicht mehr nützen (§ 16 Abs 5 FAGG).

Beispiel: Der politikinteressierte Dejan will mehr Zeitung lesen und schließt dazu ein Online-Abo für eine Tageszeitung für ein ganzes Jahr ab. Er kreuzt dabei an, dass er die Online-Zeitung ab sofort lesen wolle, er aber im Fall des Rücktritts für den bereits konsumierten Zeitraum bezahlen muss. Nach 10 Tagen stellt Dejan fest, dass er nicht genug Zeit zum Zeitunglesen hat, und erklärt daher den Rücktritt vom Vertrag. Dejan kann den Abschluss des Abo-Vertrags widerrufen, muss aber einen anteiligen Betrag (Kaufpreis für das 1-Jahr-Abonnement * 10/365) für den bereits konsumierten Zeitraum des Online-Abos bezahlen.

Was gilt als individualisiertes Produkt?

Kaufverträge über Produkte, die nach Ihren Wünschen angefertigt wurden, sind vom Widerrufsrecht ausgenommen. Diese Ausnahme ist jedoch eng zu verstehen.

Was gilt als Gesundheits- bzw. Hygieneprodukt?

Kaufverträge über Waren, die aus Gesundheits- und Hygieneschutz versiegelt geliefert werden, sind vom Widerrufsrecht ausgenommen.

Wie muss ich über mein Rücktrittsrecht informiert werden?

Sie müssen klar über Ihr Widerrufsrecht informiert werden und diese Information mitsamt einem Widerrufsformular per E-Mail oder auf Papier erhalten.

Wie lange ist die Rücktrittsfrist?

Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage. Sie beginnt ab dem Erhalt der Ware bzw. bei Dienstleistungen ab dem Vertragsabschluss zu laufen.

Darf ich das Produkt ausprobieren, bevor ich es zurückschicke?

Wenn Sie ein Produkt online kaufen, dürfen Sie diese zu Hause ausprobieren. Sie können den Vertrag auch widerrufen, wenn das Produkt dabei Schaden nimmt.

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Letzte Änderung: 25.03.2024