Im Fall einer Verspätung Ihrer Ankunft um über drei Stunden können Sie von der Fluglinie eventuell eine Ausgleichszahlung fordern. Eine so große Verspätung wird nämlich wie die Annullierung eines Flugs behandelt. Nur wenn die Verspätung auf außergewöhnliche nicht vermeidbare Umstände zurückzuführen ist, muss die Fluglinie keine Ausgleichszahlung leisten.
Im Fall größerer Flugverspätungen haben Sie nach der europäischen Fluggastrechte-Verordnung unter bestimmten Voraussetzungen ein Recht auf eine Ausgleichszahlung. Ob die europäische Fluggastrechte-Verordnung auf Ihren Flug Anwendung findet, hängt von Ihrer Flugroute und vom Sitz der Fluglinie ab (siehe „Auf welche Flüge ist die Europäische Fluggastrechte-Verordnung anwendbar?“). Außerdem haben Sie einen Anspruch auf Schadenersatz gegen die Fluglinie für andere Mehrkosten, wenn die Fluglinie für die Verspätung verantwortlich ist.
Im Fall der verspäteten Ankunft Ihres Flugzeugs um drei Stunden oder mehr (d.h. Ihr Flugzeug kommt mindestens drei Stunden später am Ankunftsort an als geplant) haben Sie denselben Anspruch auf Entschädigung wie bei einer Annullierung des Flugs (EuGH, C-402/07, Sturgeon, Rn 61). Eine Verspätung wird anhand der tatsächlichen gegenüber der ursprünglich geplanten Ankunftszeit am endgültigen Ziel berechnet. Das Flugzeug gilt als angekommen, sobald mindestens eine der Türen der Maschine geöffnet und den Fluggästen das Verlassen des Flugzeugs ermöglicht wird.
Sie können von der Fluglinie eine pauschale Entschädigung verlangen kann, ohne einen besonderen Schaden nachweisen zu müssen. Sie soll ein Ausgleich für die Unannehmlichkeiten sein, die Sie durch eine Flugverspätung erleiden. Die Höhe der Entschädigung hängt von der Entfernung zwischen dem Abflugort und dem Zielort der Flugreise (ohne Berücksichtigung der Zwischenstopps) ab:
Bei Flugverbindungen mit Anschlussflügen wird die Entfernung zwischen dem Ort des ersten Abflugs und dem Endziel - unabhängig von der tatsächlich zurückgelegten Flugstrecke - berechnet (EuGH C‑559/16, Bossen, Rn 29). Zwischenstopps bleiben bei der Berechnung der Entfernung also außer Betracht. Sie können die Entfernung über unterschiedliche Websites berechnen (z. B. http://www.gcmap.com/).
Bei Flugverbindungen mit Zwischenstopps kommt es nur auf die Verspätung an, die gegenüber der planmäßigen Ankunftszeit am Endziel (d.h. am Zielort des Anschlussflugs) eingetreten ist. Wenn der erste Flug zwar massiv Verspätung hat, Sie aber den Anschlussflug und ihr Endziel rechtzeitig erreichen, können Sie keine Entschädigung verlangen. Hingegen: Wenn der erste Flug nur eine geringe Verspätung hat, aber Sie durch diese Verspätung den Anschlussflug verpassen und dadurch verspätet am Zielort ankommen, gilt dies als Verspätung (EuGH C-11/11, Air France/Folkerts, Rn 18, 47). Wenn ein Reisebüro die Flüge unterschiedlicher Fluglinien zu einem Beförderungsvertrag zusammenfasst und dafür einen Gesamtpreis in Rechnung stellt und einen einheitlichen Flugschein ausgibt, gilt der zweite (oder dritte) Flug dennoch als Anschlussflug, auch wenn die Flüge von unterschiedlichen Fluglinien durchgeführt werden (EuGH C-436/21, flightright/American Airlines, Rn 31).
Außerdem muss Ihnen die Fluglinie keine Entschädigung bezahlen, wenn „außergewöhnliche Umstände“ vorliegen, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären (Art 5 Abs 3 Fluggastrechte-VO). Der Begriff „außergewöhnliche Umstände“ ist eng auszulegen und umfasst Vorkommnisse, die ihrer Natur oder Ursache nach nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betreffenden Luftfahrtunternehmens und von ihm nicht tatsächlich beherrschbar sind. Ein Streik zur Durchsetzung von Gehaltsforderungen und/oder Sozialleistungen der Beschäftigten ist nicht als ein Ereignis anzusehen, das vom betreffenden Luftfahrtunternehmen in keiner Weise tatsächlich beherrschbar ist (EuGH C-613/20, Eurowings).
Als ein solcher außergewöhnlicher Umstand wurden beispielsweise die folgenden Ereignisse eingeschätzt:
Hingegen galten die folgenden Ereignisse nicht als außergewöhnlicher Umstand, die einen Ausschluss der Entschädigung rechtfertigen:
Die Einschätzung, ob im konkreten Fall ein außergewöhnlicher Umstand im Sinne des Art 5 Abs 3 der europäischen Fluggastrechte-Verordnung vorliegt, muss aber jedenfalls immer im Einzelfall getroffen werden.
Wenn die Fluglinie eine Verantwortung für die verspätete Ankunft trifft, muss sie Ihnen nach Art 19 des Montreal-Übereinkommens auch die Kosten ersetzen, die Ihnen durch die Verspätung Ihres Flugs entstanden sind. Typischerweise können dies folgende Kosten sein:
Eine nach der Fluggastrechte-Verordnung gewährte Ausgleichszahlung ist auf einen solchen Schadenersatz anzurechnen (4 Ob 177/21i). Für Ihren Schadenersatzanspruch muss der Fluglinie die Flugverspätung allerdings vorwerfbar sein. Denn sie haftet nur bei einem Verschulden für allenfalls eingetretene Schäden. Wenn sie nachweist, dass sie an der Verspätung des Flugs keine Schuld trägt (z.B. bei höherer Gewalt), muss sie keinen Schadenersatz leisten. Wenn die Flugverspätung hingegen auf unternehmensinterne organisatorische Gründe zurückzuführen ist, ist allerdings jedenfalls von einem Verschulden des Luftfahrtunternehmens auszugehen.
Die Haftung der Fluglinie ist nach Art 22 Abs 2 des Montreal-Übereinkommens ist derzeit auf ca. € 6.510 (5.346 Sonderziehungsrechte) pro Passagier beschränkt.
Praktische und rechtliche Informationen zur Flugreise (Wien, 2018)
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Letzte Änderung: 01.10.2024