Wenn Ihr Flug abgesagt wird, können Sie selbstverständlich den Ticketpreis zurückverlangen. Sie können unter Umständen auch eine Entschädigung verlangen, deren genaue Höhe von der Länge des Flugs abhängt. Wenn die Annullierung des Flugs allerdings auf außergewöhnliche Umstände (schlechtes Wetter usw.) zurückzuführen ist, haben Sie keinen Anspruch auf Entschädigung.
Wenn Ihr Flug von der Fluglinie gestrichen (annulliert) wurde und Sie keinen Ersatzflug in Anspruch nehmen, können Sie klarerweise den Ticketpreis zurückverlangen (siehe auch "Wer muss Rückerstattung leisten? Fluglinie oder Buchungsplattform?"). Darüber hinaus verpflichtet die europäische Fluggastrechte-Verordnung die Fluglinien unter Umständen auch zu einer Ausgleichszahlung. Ob die europäische Fluggastrechte-Verordnung auf Ihren Flug Anwendung findet, hängt von Ihrer Flugroute und vom Sitz der Fluglinie ab (siehe „Auf welche Flüge ist die Europäische Fluggastrechte-Verordnung anwendbar?“). Aber auch unabhängig von der Anwendung der europäischen Fluggastrechte-Verordnung haben Sie einen Schadenersatzanspruch wegen Mehrkosten, wenn der Fluglinie die Annullierung vorwerfbar ist.
Bei der Annullierung Ihres Flugs muss Ihnen die Fluglinie jedenfalls (d. h. auch bei Vorliegen von außergewöhnlichen Umständen, die sich von der Fluglinie nicht vermeiden ließen) Unterstützung anbieten. Sie können nach Art 8 der europäischen Fluggastrechte-Verordnung wählen zwischen:
Wenn Sie sich für die anderweitige Beförderung zum frühestmöglichen Zeitpunkt entscheiden, muss Sie die Fluglinie gegebenenfalls auch auf einen Flug einer anderen Fluglinie umbuchen. Bei einem erheblich späteren Ersatzflug muss Ihnen die Fluglinie Mahlzeiten bzw. Erfrischungen, eine Hotelunterbringung und den Transport dorthin (falls ein Aufenthalt über Nacht notwendig ist) sowie sowie zwei kostenlose Telefonate bzw- E-Mails anbieten. Diese Unterstützungsleistungen stehen Ihnen - im Unterschied zur Ausgleichszahlung (siehe unten) - unabhängig davon zu, ob sich die Fluglinie auf außergewöhnliche unvermeidbare Umstände berufen kann.
Wenn Sie nicht rechtzeitig über die Annullierung des Flugs informiert werden (siehe unten „Ausschluss der Ausgleichszahlung“), haben Sie im Fall der Annullierung eines Flugs einen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung, d. h. Sie können von der Fluglinie eine pauschale Entschädigung verlangen, ohne einen besonderen Schaden nachweisen zu müssen.
Die Höhe der Entschädigung hängt von der Entfernung zwischen dem Abflugort und dem Zielort der Flugreise (ohne Berücksichtigung der Zwischenstopps) ab:
Bei Flugverbindungen mit Anschlussflügen wird die Entfernung zwischen dem Ort des ersten Abflugs und dem Endziel - unabhängig von der tatsächlich zurückgelegten Flugstrecke - berechnet (EuGH C‑559/16, Bossen, Rn 29). Zwischenstopps bleiben bei der Berechnung der Entfernung also außer Betracht. Sie können die Entfernung über unterschiedliche Websites berechnen (z. B. http://www.gcmap.com/).
Wenn Sie rechtzeitig über die Annullierung informiert wurden bzw. Ihnen ein gleichwertiger Ersatzflug angeboten wurde, haben Sie kein Recht auf die oben erwähnte Ausgleichszahlung. In den folgenden Fällen muss Ihnen die Fluglinie keine Ausgleichzahlung bezahlen:
Beispiel: A bucht einen Flug von Wien nach Tokyo bei der Fluglinie B. Da A nach seiner Ankunft in Tokyo gleich nach Kyoto weiterreisen möchte und die Züge in Japan schnell ausgebucht sind, kauft er sich nicht stornierbare Zugtickets von Tokyo nach Kyoto für den Tag seiner Ankunft. Vier Wochen vor seinem geplanten Abflug wird der Flug von Wien nach Tokyo annulliert. A kann zwar keine Entschädigung nach der Fluggastrechte-Verordnung von der Fluglinie B fordern, weil er mehr als zwei Wochen vor dem geplanten Abflug über die Annullierung des Flugs informiert wurde. Er kann jedoch die Erstattung des Flugpreises oder die Umbuchung auf einen Ersatzflug zum frühestmöglichen Zeitpunkt oder zu einem späteren Wunschtermin von der Fluglinie B verlangen. Wenn der Fluglinie B die Annullierung vorwerfbar ist, kann er auch die Kosten des verfallenden Zugtickets von der Fluglinie B verlangen.
Wird Ihnen allerdings eine anderweitige Beförderung zu ihrem Endziel mit einem Alternativflug angeboten wird, dessen Ankunftszeit
so kann das ausführende Luftfahrtunternehmen die Ausgleichszahlung um 50 % kürzen.
Außerdem muss Ihnen die Fluglinie keine Entschädigung bezahlen, wenn „außergewöhnliche Umstände“ vorliegen, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären (Art 5 Abs 3 Fluggastrechte-VO). Der Begriff „außergewöhnliche Umstände“ ist eng auszulegen und umfasst Vorkommnisse, die ihrer Natur oder Ursache nach nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betreffenden Luftfahrtunternehmens und von ihm nicht tatsächlich beherrschbar sind. Ein Streik zur Durchsetzung von Gehaltsforderungen und/oder Sozialleistungen der Beschäftigten ist nicht als ein Ereignis anzusehen, das vom betreffenden Luftfahrtunternehmen in keiner Weise tatsächlich beherrschbar ist (EuGH C-613/20, Eurowings).
Als ein solcher außergewöhnlicher Umstand wurden beispielsweise die folgenden Ereignisse eingeschätzt:
Hingegen galten die folgenden Ereignisse nicht als außergewöhnlicher Umstand, die einen Ausschluss der Entschädigung rechtfertigen:
Die Einschätzung, ob im konkreten Fall ein außergewöhnlicher Umstand im Sinne des Art 5 Abs 3 der europäischen Fluggastrechte-Verordnung vorliegt, muss aber jedenfalls immer im Einzelfall getroffen werden.
Wenn die Fluglinie für die Annullierung des Flugs verantwortlich ist (z. B. wegen fehlendem Personals, schlechter Planung usw.), muss sie Ihnen auch die Kosten ersetzen, die Ihnen durch die Annullierung des Flugs entstanden sind. Typischerweise können dies folgende Kosten sein:
Eine nach der Fluggastrechte-Verordnung gewährte Ausgleichszahlung ist auf einen solchen Schadenersatz anzurechnen (4 Ob 177/21i). Für Ihren Schadenersatzanspruch muss der Fluglinie die Annullierung des Flugs allerdings vorwerfbar sein. Denn sie haftet nur bei einem Verschulden für allenfalls eingetretene Schäden. Wenn sie nachweist, dass sie an der Annullierung des Flugs keine Schuld trägt (z.B. bei höherer Gewalt), muss sie keinen Schadenersatz leisten. Bei einer Annulierung von Flügen aus rein unternehmensinternen organisatorischen Gründen (z. B. weil die Passagiere von mehreren Flügen aus wirtschaftlichen Gründen zu einem Flug zusammengefasst werden) ist allerdings jedenfalls von einem Verschulden des Luftfahrtunternehmens auszugehen.
The Norwegian Consumer Council: "Prüfen Sie Ihre Fluggastrechte!"
Praktische und rechtliche Informationen zur Flugreise (Wien, 2018)
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Letzte Änderung: 01.10.2024