Aufgedrängte Zahnschienen von Dr. Smile?

Zahnregulierungen sind teuer. Daher drängen seit einigen Jahren Anbieter von Zahnschienen (Alignern) – darunter Dr. Smile – auf den Markt, die eine einfache und günstige Möglichkeit zur Begradigung der Zähne versprechen. Die Art und Weise, wie Konsument:innen zur Bestellung dieser Zahnschienen gebracht werden, ist allerdings fragwürdig. Auch ist es nicht leicht zu durchschauen, mit wem man eigentlich was für einen Vertrag schließen und an wen man sich bei Problemen wenden soll.

Hinter der Marke Dr. Smile stecken die deutschen Gesellschaften DZK Deutsche Zahnklinik GmbH sowie Urban Technology GmbH, die in einem Konzern miteinander verbunden sind. Sie bieten unter dem Namen „Dr. Smile“ eine Behandlung mit Zahnschienen an und werben massiv auf Social media mit günstigen Monatsraten für eine einfache Zahnbegradigung mit Zahnschienen (siehe "VKI: LG ZRS Wien verhängt Exekutionsstrafe von 77.500 Euro gegen Dr Smile"). Schwerer zu erkennen ist dabei, dass für die Zahnschienen Gesamtkosten von mehreren Tausend Euro anfallen. Wir erhalten regelmäßig Beschwerden von Konsument:innen, die sich zum Vertragsabschluss überrumpelt fühlten und den Vertrag nicht widerrufen können.

Scan von Kiefer („3D-Intraoralscan“)

Die Zahnbegradigung über Dr. Smile startet mit der Buchung eines Termins in einer der auf drsmile.at angegebenen Zahnarztordinationen („Buche Deinen Beratungstermin in einer Ordination in Wien und lass Dich über Deine ganz persönliche Zahnkorrektur in Wien informieren.“). Zur Auswahl stehen Zahnarztordinationen, deren Inhaber und Adresse auf den ersten Blick nicht zu erkennen sind.

Bei diesem Ersttermin wird ein Scan von Ihrem Kiefer („3D-Intraoralscan“) durchgeführt und über die Behandlung mit den Zahnschienen informiert. Die längste Zeit wurden den Konsument:innen für diesen Termin keine Kosten verrechnet, sondern die Zahnarztordinationen bekamen für den Termin vermutlich eine Aufwandsentschädigung von Dr. Smile. Nun ist auf der Website drsmile.at zu lesen, dass für diesen Beratungstermin in der Ordination direkt vor Ort 80€ - 100€ zu bezahlen sind.

Vertragliche Rolle der Zahnarztordination unklar

Die vertragliche Rolle der Zahnarztordination, die den 3D-Intraoralscan durchführen, ist unklar. Dr. Smile erklärt auf seiner Website, dass alle zahnmedizinischen Leistungen ausschließlich von unabhängigen Zahnärzt:innen, und nicht von der Urban Technology GmbH erbracht werden. Die Urban Technology GmbH vertreibe nur die Zahnschienen (Aligner), aber schließe keine Behandlungsverträge mit den Patient:innen ab.

Nach dem Verständnis des Oberlandesgerichts Wien werden die österreichischen Zahnärzt:innen hingegen als Erfüllungsgehilfen für die Urban Technology GmbH bzw. DZK Deutsche Zahnklinik GmbH tätig. Auch nach unserem Verständnis erfolgt die kieferorthopädische Behandlung durch die DZK Deutsche Zahnklinik GmbH (mit Hilfe von österreichischen Zahnärzt:innen), während sich die Urban Technology GmbH um Werbung, Kontaktaufnahme und Patientenführung kümmert. Dies hätte allerdings zur Konsequenz, dass die von Dr. Smile angebotene Zahnschienenbehandlung gegen das österreichischen Zahnärztegesetz verstößt, weil eine solche Behandlung nur von in Österreich zugelassenen Zahnärzt:innen (und nicht der deutschen DZK Deutsche Zahnklinik GmbH) vorgenommen werden dürfte (§ 3 Abs 1 iVm § 24 Zahnärztegesetz).

Die unklare vertragliche Konstruktion hat auch zur Folge, dass es für Sie unklar bleibt, an wen sie sich wenden können, wenn Sie mit den Zahnschienen Probleme haben oder die Behandlung nicht zum gewünschten Ergebnis führt. Viele Konsument:innen gehen nämlich davon aus, dass die österreichische Zahnarztordination für Probleme verantwortlich ist.

Telefonischer Vertragsabschluss?

Im nächsten Schritt erhalten Sie per E-Mail einen individuellen Behandlungsplan zugeschickt. Darin findet sich auch eine auf Grundlage des 3D-Intraoralscans gewonnen digitalen Kiefermodelle erstellte visuelle Simulation, wie Ihre Zähne im Laufe der Behandlung begradigt werden könnten. Außerdem wird der Preis der Zahnbehandlung in unterschiedlichen Zahlungsmodellen (einmalige Zahlung, monatliche Ratenzahlung über 24 bzw. 72 Monate) angeführt. Als Extra gibt es auch die Möglichkeit, einen Draht zur Erhaltung der Zahnstellung („Retainer“) um € 350,- (für einen Kiefer) oder € 490,- (für beide Kiefer) mitzubestellen.  

Gleich nach Übermittlung des Behandlungsplans rufen Sie Sales-Mitarbeitende von Dr. Smile an, um den Behandlungsplan zu besprechen und eine Zustimmung zum Vertrag einzuholen. Einige Konsument:innen haben uns von ungewollten Vertragsabschlüssen im Laufe dieses Telefonats berichtet. Tatsächlich haben auch wir den Eindruck gewonnen, dass die Sales-Mitarbeitende die Interessent:innen zu überrumpeln versuchen und um jeden Preis einen Vertragsabschluss fixieren wollen. Dies wäre insofern nicht überraschend, als die Sales-Mitarbeitenden offenbar für jeden Vertragsabschluss eine Erfolgsprovision erhalten.

Herstellung der Zahnschienen (Aligner)

Nach dem Telefonat erhalten die Konsument:innen eine E-Mail mit einer Bestätigung darüber, dass sie einen Vertrag mit der DZK Deutsche Zahnklinik GmbH abgeschlossen hätten und Dr. Smile nun mit der Produktion der Zahnschienen (Aligner) beginne. Gleichzeitig wird darauf hingewiesen, dass man die Rechnung ca. 7 Tagen nach der Bestellung per Post erhalte und dann noch 30 Tage Zeit habe eine passende Zahlungsart zu wählen. Die Rechnung für die Zahnbehandlung wird wiederum von einer anderen deutschen Gesellschaft, der Health Coevo AG, ausgestellt, die offenbar das Inkasso für Dr. Smile übernimmt. Auch dieser Umstand ist für Konsument:innen einigermaßen verwirrend. In der Rechnung wird erwähnt, dass der Kaufpreis Fremdlaborleistungen der Urban Technology GmbH beinhalte. Tatsächlich werden darauf die Zahnschienen durch die Urban Technology GmbH hergestellt und den Patient:innen zugeschickt. Welchem Unternehmen gegenüber bei Mängeln der Zahnschienen (Aligner) Gewährleistungsansprüche bestehen, bleibt unklar.

Widerruf des Vertrags

Aufgrund der Überrumpelung durch den telefonischen Vertragsabschluss wollen einige Konsument:innen nach dem Telefonat und dem Erhalt der Bestellbestätigung die Bestellung stornieren und rückgängig machen. Dr. Smile verweist darauf, dass das Widerrufsrecht für die Aligner gesetzlich ausgeschlossen sei, weil es sich um individuelle Anfertigungen handle. Tatsächlich findet das Widerrufsrecht nach dem Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz aufgrund einer Ausnahmebestimmung (§ 1 Abs 2 Z 3 Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz) auf den Verkauf von individuell hergestellten Zahnschienen keine Anwendung (4 Ob 158/20v).

Doch besteht wohl ein Widerrufsrecht nach § 3 Abs 1 Konsumentenschutzgesetz (KSchG). Denn die Buchung des ersten Beratungstermin wird noch nicht als eine Anbahnung der geschäftlichen Verbindung zwecks Schließung des Vertrags verstanden werden können (§ 3 Abs 3 Z 1 KSchG). Zum Zeitpunkt des ersten Beratungstermin möchte sich der:die Konsument:in zunächst nur über die Möglichkeit der Zahnbehandlung informieren, es besteht aber noch kein konkreter Wille zum Vertragsabschluss (siehe auch 1 Ob 637/82). Somit liegt im Zeitpunkt des Telefonats ein Überrschungsmoment vor, das der Gesetzgeber mit dem Rücktrittsrecht nach § 3 KSchG ausgleichen wollte. Sofern Dr. Smile Sie nicht über dieses Rücktrittsrecht informiert, können Sie nach § 3 Abs 1 KSchG auch noch Monate später noch vom Vertrag zurücktreten und den Vertrag damit rückwirkend auflösen.

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