Neue Regeln zur Gewährleistung seit 1.1.2022

Mit dem Beginn des neuen Jahres ist ein neues Gewährleistungsrecht in Kraft getreten. Sichtbarste Neuerung: Die konsumentenschutzfreundliche Vermutungsfrist zur leichteren Ausübung von Gewährleistungsansprüchen wurde von sechs Monaten auf ein Jahr verlängert. Außerdem erfasst das Gewährleistungsrecht nunmehr auch ausdrücklich digitale Leistungen. Wenn sich nach dem Kauf herausstellt, dass digitale Komponenten einer Ware oder ein digitaler Dienst wie eine App oder eine Software nicht ausreichend funktionieren oder von Sicherheitslücken betroffen sind, muss Ihnen der Verkäufer Aktualisierungen (Updates) bereitstellen (lassen).

Seit Beginn des Jahres 2022 sind neue Regeln zur Gewährleistung in Kraft. Von einem Fall der Gewährleistung spricht man zum Beispiel, wenn ein gekauftes Produkt nach dem Kauf grundlos kaputt geht oder nicht so funktioniert wie es funktionieren sollte. Das Gewährleistungsrecht gilt nunmehr auch ausdrücklich für digitale Inhalte. In dem neuen Verbrauchergewährleistungsgesetz (VGG) werden nun die Gewährleistungsregeln für Kaufverträge zwischen Unternehmen und Verbraucher:innen - mit einzelnen Ausnahmen (z.B. Immobilienkaufverträge) - zusammengefasst. Das Verbrauchergewährleistungsgesetz ist nur auf Verträge anwendbar, die nach dem 31.12.2021 abgeschlossen wurden.  

Ware mit digitalen Elementen

Wenn Sie eine Ware kaufen, die gemäß dem Kaufvertrag auch digitale Elemente enthält (zB einen Smart TV, eine Smart Watch, ein Notebook mit vorinstalliertem Betriebssystem, ein Smartphone mit vorinstallierten Apps, einen "smarten“ Kühlschrank, ein intelligentes Lichtsystem usw.), haben Sie nunmehr auch hinsichtlich der digitalen Elemente des Produkts ein Recht auf Gewährleistung gegenüber dem Verkäufer. Sie können das Nichtfunktionieren des digitalen Elements (z.B. der App, mit der die Smart Watch verwendet wird) beim Verkäufer der Ware reklamieren, auch wenn das digitale Element von jemand anderem als dem Verkäufer (z.B. einem Tech-Unternehmen mit Sitz in den USA) bereitgestellt wird. Der Verkäufer hätte sich dann darum zu kümmern, dass das Nichtfunktionieren des digitalen Elements behoben wird. Wenn das digitale Element allerdings nicht Teil des Kaufvertrags war (z.B. eine App, die Sie sich erst nachträglich aus dem App-Store auf Ihr Smartphone heruntergeladen haben), ist der Verkäufer für das Nichtfunktionieren der App nicht verantwortlich. Sie müssen sich in diesem Fall an den Verkäufer der App wenden.

Beispiel

Anna kauft für Ihren Freund Bernd einen Smart TV von einem Elektronikfachhändler. Als Anna und Bernd den Fernseher am darauffolgenden Wochenende zu Hause in Betrieb nehmen, ist die Enttäuschung groß. Der Fernseher hat zwar keinen Defekt, aber die App, über die der Fernseher gesteuert werden soll, ist äußerst instabil und stürzt immer wieder ab. Obwohl die App nicht vom Elektronikfachhändler, sondern vom Hersteller des Smart TV bereitgestellt wird, kann Anna vom Elektronikfachhändler Gewährleistung verlangen. Wenn der Elektronikfachhändler das Funktionieren der App nicht sicherstellen kann (z.B. durch Hinweis auf ein zur Verfügung stehendes Update zur Behebung der Probleme), hat Anna das Recht, den Kaufvertrag aufzulösen und den Smart TV an den Elektronikfachhändler zurückzugeben.

Gewährleistung auch für digitale Leistungen

Auch wenn Sie keine körperliche Ware, sondern nur digitale Produkte (z.B. ein Streaming-Abo, ein Cloudspeicher-Dienst wie Google Drive oder Dropbox, Social Media usw.) erwerben, haben Sie hinsichtlich dieser digitalen Produkte ein Recht auf Gewährleistung. Sie haben ein Recht darauf, dass diese digitalen Produkte fehlerlos und ohne nennenswerte Einschränkungen oder Unterbrechungen funktionieren. Wenn Sie auf einen digitalen Dienst aufgrund technischer Probleme öfter nicht zugreifen können oder dieser eine technische Schwachstelle enthält, die Ihre Geräte angreifbar macht, können Sie verlangen, dass diese Unterbrechungen oder Fehler behoben werden. Sie haben auch dann ein Recht auf Gewährleistung, wenn Sie für diese digitalen Leistungen nur „mit Ihren Daten bezahlen“, d.h. diese digitalen Leistungen nur im Gegenzug dafür erbracht werden, dass Sie einer Verarbeitung Ihrer Daten zu Werbezwecken zustimmen. Sie haben also auch hinsichtlich sozialer Medien (Facebook, Instagram, TikTok usw.) ein Recht auf Gewährleistung, auch wenn Sie für diese digitalen Leistungen kein Geld bezahlen.

Beispiel

Anna registriert sich für kostenpflichtigen Streaming-Dienst und schließt eine einjährige Mitgliedschaft ab. Sie bezahlt das Jahresentgelt im Vorhinein, weil eine Einmalzahlung günstiger ist als monatliche Zahlungen. Nach ein paar Wochen kommt es immer öfter zu Störungen der Verfügbarkeit des Streaming-Dienstes. Da die digitalen Leistungen vom Anbieter des Streaming-Dienstes nur mangelhaft erbracht werden, kann Anna vom Anbieter verlangen, dass die Störungen innerhalb einer angemessenen Zeit behoben werden. Wenn die Störungen dann noch immer bestehen, kann Anna die Auflösung des Vertrags verlangen und jenen Anteil des Jahresentgelts zurückverlangen, der dem Zeitraum der Störungen, sowie dem restlichen Zeitraum der Jahresmitgliedschaft entspricht.

Definition eines Mangels

Ein Gewährleistungsfall liegt immer dann vor, wenn ein sogenannter „Mangel“ vorliegt. Ein „Mangel“ bedeutet, dass die vom Verkäufer erbrachte Leistung (d.h. die Ware oder die digitale Leistung) nicht der zwischen Ihnen und dem Verkäufer getroffenen vertraglichen Vereinbarung entspricht. Sie müssen sich also ansehen, was für eine Ware oder welche digitale Leistung Ihnen der Verkäufer gemäß dem konkreten Kaufvertrag hätte liefern oder erbringen müssen (subjektive Vertragskonformität). Wenn die gelieferte Ware oder die erbrachte digitale Leistung davon abweicht, liegt ein Mangel vor. Es ist aber auch entscheidend, welche Leistungen oder Merkmal man bei solchen Kaufverträgen typischerweise erwarten kann bzw. ob die Ware oder digitale Leistung den in diesen Fällen typischen Verwendungszwecken entspricht (objektive Vertragskonformität). Dabei ist etwa zu beachten, ob die Ware oder digitale Leistung wie ein Probemodell oder eine Testversion funktioniert. Wenn die Ware oder digitale Leistung von diesen objektiven Anforderungen abweicht, muss Sie der Verkäufer ausdrücklich auf ein solches Abweichen hinweisen. Außerdem müssen Sie beim Vertragsabschluss ausdrücklich zustimmen, dass Sie dieses Abweichen von den üblicherweise vorausgesetzten Merkmalen in Kauf nehmen (z.B. durch Ankreuzen einer Checkbox). Es ist nicht ausreichend, dass der Verkäufer im Kleingedruckten auf mögliche Abweichungen verweist.

Beispiel

Anna schließt mit dem Autohändler Bertram einen Kaufvertrag über ein neues Auto. Bertram weist Anna vor dem Kauf auf eine kleine unauffällige Delle hin. Anna erklärt ausdrücklich, das Auto dennoch kaufen zu wollen. Einige Zeit später stellt sich heraus, dass dieses Automodell nicht den geltenden Abgasnormen entspricht und eigentlich gar nicht zugelassen werden dürfte. Die Delle stellt keinen Mangel dar, weil Anna die Delle ausdrücklich in Kauf genommen hat und keine Abweichung vom Vertragsinhalt vorliegt. Der Umstand, dass das Automodell bestimmten technischen Normen nicht entspricht, stellt allerdings schon einen Mangel dar. Obwohl Bertram nichts anderes als das geschuldete Auto geliefert hat, handelt es sich um einen Gewährleistungsfall. Denn die Zulassungsfähigkeit eines Autos stellt eine objektive Anforderung an die Ware dar, die sich aus der vernünftigen Verbrauchererwartung eines Käufers bzw. einer Käuferin ergibt. Anna kann aufgrund dieser objektiven Vertragswidrigkeit des Autos die Verbesserung des Autos und - wenn die Verbesserung des Autos nicht möglich ist - die Auflösung des Vertrags fordern.

Verlängerung der Vermutungsfrist

Eine der für Sie wesentlichsten Änderungen des neuen Gewährleistungsrechts ist, dass die konsumentenschutzfreundliche Vermutungsfrist von sechs Monaten auf ein Jahr verlängert wird. So wird auch bei Mängeln, die erst nach einigen Monaten (aber innerhalb eines Jahres ab dem Datum des Kaufvertrags!) auftreten, vermutet, dass dieser Mangel bereits zum Zeitpunkt der Lieferung vorgelegen ist. Diese einjährige Vermutungsfrist (auch „Beweislastumkehr“) erleichtert Ihnen die Ausübung Ihrer Gewährleistungsrechte, weil der Verkäufer im Fall einer Reklamation innerhalb des ersten Jahres beweisen muss, dass der Mangel zum Zeitpunkt der Übergabe noch nicht vorhanden war. Wenn er dies nicht beweisen kann, wird vermutet, dass die Ware bereits im Zeitpunkt der Lieferung einen Mangel hatte. Die einjährige Vermutungsfrist ist aber nicht mit der allgemeinen Gewährleistungsfrist von zumindest zwei Jahren zu verwechseln. Sie können Ihre Gewährleistungsrechte zumindest zwei Jahre lang nach dem Kauf ausüben; nach Ablauf des ersten Jahres müssen allerdings Sie beweisen, dass ein Mangel bereits im Zeitpunkt der Lieferung vorhanden war und nicht erst später aufgetreten ist.

Verpflichtung des Verkäufers für Updates zu sorgen (Update-Pflicht)

Nach dem neuen Gewährleistungsrecht muss der Verkäufer einer Ware mit digitalen Elementen (z.B. eines Smart TV, einer Smart Watch usw.) oder einer digitalen Leistung eine gewisse Zeit lang für Aktualisierungen („Updates“) sorgen (§ 7 VGG). Diese Updates sollen sicherstellen, dass Sie das smarte Gerät oder der digitale Dienst weiterhin problemlos verwenden können. Der Verkäufer muss zum Beispiel für Sicherheits-Updates sorgen, damit die digitalen Inhalte nicht aufgrund neuer Sicherheitslücken von Schadsoftware bedroht sind. Der Verkäufer muss allerdings nicht verbesserte oder neue Versionen eines digitalen Inhalts bereitstellen, weil diese nicht Gegenstand des ursprünglichen Vertrags waren. Er ist nur dafür verantwortlich, dass Ihnen jene Updates zur Verfügung gestellt werden, die notwendig sind, damit das smarte Produkt bzw. die digitale Leistung weiterhin dem Vertrag entspricht. Der Händler muss dafür sorgen, dass Sie über die Verfügbarkeit von Updates informiert werden, ansonsten haftet er für Mängel aufgrund des Ausbleibens der Aktualisierung.

Die Dauer dieser Update-Verpflichtung des Verkäufers ist nicht einheitlich. Wenn ein digitaler Inhalt nur einmalig zur Verfügung gestellt wird (z.B. eine einmalig heruntergeladene Software, für das nicht laufend Erweiterungen und Ergänzungen zur Verfügung gestellt werden usw.), müssen Aktualisierungen so lange zur Verfügung gestellt werden, wie sie vernünftigerweise erwartet werden können; dies ist vom konkreten digitalen Produkt abhängig und davon, wie lange man ein solches digitales Produkt üblicherweise nützen würde. Bei einer digitalen Leistung, die fortlaufend bereitgestellt wird (z.B. ein Streaming-Dienst, ein Cloudspeicher Dienst, die Mitgliedschaft bei einer Plattform usw.) haben Sie so lange Zugriff auf den digitalen Inhalt, wie die festgelegte Vertragslaufzeit andauert oder der unbefristete Vertrag in Kraft ist. In diesem Fall müssen die Aktualisierungen über den gesamten Vertragszeitraum zur Verfügung gestellt werden. Bei einer Ware mit digitalen Elementen (z.B. ein Smart-TV, eine Smart Watch usw.), müssen diese Aktualisierungen jedoch zumindest für einen Zeitraum von zwei Jahren zur Verfügung gestellt werden.

Beispiel

Anna kauft ein Notebook mit einem vorinstallierten Betriebssystem. Nach kurzer Zeit wird öffentlich, dass bei dem Betriebssystem eine ehebliche Sicherheitslücke besteht. Anna wendet sich an den Verkäufer, weil sie das Notebook mit dem vorinstallierten Betriebssystem aufgrund von Sicherheitsbedenken nicht mehr verwenden will. Wenn der Verkäufer nicht innerhalb einer angemessenen Frist auf eine Aktualisierung des Herstellers zum Schließen der Sicherheitslücke verweist, kann Anna die Auflösung des Vertrags verlangen und das Notebook gegen Rückzahlung des Kaufpreises an den Verkäufer zurückgeben.

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