Beschwerden wegen kostspieliger Online-Coachings
In letzter Zeit häufen sich die Beschwerden von jungen Erwachsenen, die nach ihrer Anmeldung für Online-Coachings mit hohen Geldforderungen konfrontiert werden. So werden für diese Online-Coachings meist mehrere tausend Euro verlangt. Das Geschäftskonzept hinter solchen Online-Coachings scheint oft sehr fragwürdig. Denn meist besteht der Inhalt von solchen Online-Coachings im Wesentlichen nur aus dem Zugang zu einer Sammlung von voraufgezeichneten Coaching-Videos, in denen Binsenweisheiten preisgegeben werden.
Gerade seit Beginn der Corona-Pandemie sind viele Menschen ohne Beschäftigung und suchen nach Möglichkeiten, von daheim aus Geld zu verdienen. Über Werbungen auf Youtube oder Instagram werden dabei vor allem junge Erwachsene auf Online-Kurse bzw. -Coachings („Wie starte ich mein eigenes Online-Business?“ usw.) aufmerksam, die einen kurzen, schnellen Weg zum großen Geld im Bereich E-Commerce versprechen. Meist werden diese Online-Coachings von Personen beworben, die eine „Vom Tellerwäscher zum Millionär“-Geschichte erzählen und dabei sehr überzeugend wirken. Klicken Sie auf eine dieser Werbungen, gelangen Sie auf eine Landing-Page, auf der Sie Ihre Telefonnummer und/oder Ihre E-Mail-Adresse hinterlassen sollen, um ein kostenloses telefonisches „Erstgespräch“ oder „Strategiegespräch“ zu führen.
Dieses „Erstgespräch" oder „Strategiegespräch“ (via Telefon oder Videokonferenz) wird meist von einem „Mitarbeiter“ oder einem „Affiliate“ der werbenden Person geführt, mit der Sie über Ihre Vorstellungen und Pläne sprechen. Der „Mitarbeiter“ erklärt Ihnen, dass er ebenso klein angefangen hätte, aber mittlerweile viel Geld verdienen würde. Es wird Ihnen vermittelt, dass Sie zu Anfang zwar Investitionskosten (nämlich die Kosten des Online-Coaching) hätten, diese Ausgaben aber mit wenig Zeitaufwand durch Einnahmen im vier- oder fünfstelligen Bereich schnell wieder hereinholen können. Sie müssten dazu nur das in dem Online-Coaching Erlernte genau umsetzen. Oft hantieren die anwerbenden Personen im Erstgespräch mit Begriffen wie dem „Skalieren“, „Funnel“, „Affiliate Links“ oder anderen Fachbegriffen aus dem E-Commerce-Bereich, um Kompetenz zu vermitteln und das Ganze als Selbstläufer und sichere passive Einnahmequelle darzustellen.
Im Laufe des Erstgesprächs oder eines weiteren Gesprächs werden Sie langsam dazu hingeführt, sich für das Online-Coaching anzumelden (z. B. weil die Plätze begrenzt seien, es kurzzeitig ein Sonderangebot gäbe, …). Meistens wird davor noch erörtert, wieviel Sie als angehendes E-Commerce Start-up zu investieren bereit seien. Wenn Sie erklären, dass Sie nicht viel Geld auf einmal ausgeben können, wird Ihnen oft eine Lösung mittels Ratenzahlungen bzw. das Online-Coaching als Abo-Modell über 12 Monate angeboten. Wenn Sie sich auf einen Kaufpreis für das Online-Coaching geeinigt haben, werden Sie dazu gedrängt, die Anmeldung für das Coaching meist gleich während des Gesprächs vorzunehmen…
Wir wissen von vielen Fällen, in denen die Anmeldung über Plattformen https://www.digistore24.com/, https://www.copecart.com/ oder https://elopage.com/ vorgenommen wurde. Diese Webseiten bieten eine Plattform für Anbieter von digitalen Produkten (zB Online-Coachings, e-Books usw.), wobei die Vertrags- und Zahlungsabwicklung meist direkt über die Plattform erfolgt (Reseller-Modell). Der Vertrag über das Online-Coaching kommt also formal mit der Plattform zustande und der Kaufpreis für das Online-Coaching ist auch an die Plattform zu bezahlen. Die Anmeldung zu dem Online-Coaching erfolgt in diesen Fällen über ein Bestellformular auf diesen Websites. Wir haben von Fällen gehört, in denen sich der „Mitarbeiter“ oder „Affiliate“ den Namen, die Kreditkartennummer usw. von der angeworbenen Person ansagen ließ und das Bestellformular für die angeworbene Person ausfüllte. Es wurde uns berichtet, dass dabei Konditionen des Vertrags (Kaufpreis, Laufzeit, Kündigungsmöglichkeiten usw.) von den „Mitarbeitern“ oder „Affiliates“ falsch dargestellt wurden und in dem Bestellformular beispielsweise ein ganz anderer Preis angegeben wurde.
In manchen Fällen wird der Vertrag auch mündlich während des (Video-)Telefonats geschlossen. Dabei zeichnet der „Mitarbeiter“ oder „Affiliate“ das Gespräch ab einem gewissen Punkt zur Dokumentation des Vertragsabschlusses auf und lässt einzelne Fragen („Sind Sie einverstanden, dass… ?") von der angeworbenen Person mit „Ja“ beantworten.
Nach erfolgreicher Anmeldung für das Online-Coaching erhalten Sie zumeist Zugang zu einer Sammlung von voraufgezeichneten Coaching-Videos. Manchmal können Sie auch individuelle Coaching-Sessions über ein Videokonferenztool vereinbaren. Meist gibt es auch einen 24/7 WhatsApp-Support oder Ähnliches, wobei Sie dabei meist nur auf die bereits erstellten Videos verwiesen werden. Manchmal werden Sie auch in eine Chat- oder Facebook-Gruppe aufgenommen, in der Sie sich mit anderen Coachees austauschen sollen. Insgesamt erweisen sich die Videos und sonstigen Leistungen meist als sehr enttäuschend, weil darin nur allgemeingültige Erkenntnisse vermittelt werden, die man sich auch über eine einfache Internetrecherche aneignen kann.
Vertragsabschluss als Verbraucher oder Unternehmer?
Aus rechtlicher Sicht stellt sich zunächst die Frage, ob Sie sich als KonsumentIn oder als (angehender) Unternehmer für das Online-Coaching angemeldet haben. Je nachdem kommt nämlich das Konsumentenschutzrecht (z.B. das Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz) zur Anwendung oder nicht.
Nach österreichischem Konsumentenschutzrecht gelten Geschäfte, die eine natürliche Person vor Aufnahme des Betriebes ihres Unternehmens zur Schaffung der Voraussetzungen dafür tätigt, noch nicht zu diesem Betrieb (§ 1 Abs 3 Konsumentenschutzgesetz). Auf solche „Vorbereitungsgeschäfte“ kommt das Konsumentenschutzrecht daher zur Anwendung. Wenn Sie sich also für ein Online-Coaching anmelden, um ein eigenes Business erst aufzubauen, unterliegt ein solcher Vertragsabschluss noch dem Konsumentenschutzrecht. Im Übrigen ist die Verbrauchereigenschaft auch nach den objektiven Umständen zu bestimmen. Wenn es für Ihren Vertragspartner aufgrund der Umstände klar erkennbar ist, dass Sie die Anmeldung für das Online-Coaching als VerbraucherIn und nicht als angehendeR UnternehmerIn vornehmen (was in den meisten Fällen zutreffen wird), dann gelten Sie auch als VerbraucherIn und das Konsumentenschutzrecht kommt zur Anwendung.
Wirksamer kostenpflichtiger Vertragsabschluss?
In weitere Folge stellt sich die Frage, ob ein wirksamer kostenpflichtiger Vertrag zustande gekommen ist. Grundsätzlich können Verträge auch mündlich oder telefonisch abgeschlossen werden, wobei bei einem telefonisch abgeschlossenen Vertrag über eine Dienstleistung, der während eines vom Unternehmer eingeleiteten Anrufs ausgehandelt wurde, der Verbraucher erst dann gebunden ist, wenn der Unternehmer dem Verbraucher eine Bestätigung seines Vertragsanbots auf einem dauerhaften Datenträger (z.B.: per E-Mail) zur Verfügung stellt und der Verbraucher dem Unternehmer hierauf eine schriftliche Erklärung über die Annahme dieses Anbots auf einem dauerhaften Datenträger übermittelt (§ 9 Abs 2 FAGG).
Wenn Sie während des Vertragsgesprächs oder im Bestellformular nicht transparent auf den Gesamtpreis des Online-Coachings (z.B. den Preis für die 12 Monate) hingewiesen werden - sondern etwa nur auf einen rabattierten Sonderpreis oder einen Monatspreis -, gehen Sie keine Verpflichtung zur Zahlung dieses Gesamtpreises ein. Sie wären dann maximal zur Zahlung des besprochenen bzw. angezeigten Kaufpreises verpflichtet und müssten den Gesamtpreis nicht bezahlen, weil keine Vereinbarung über die Zahlung dieses Gesamtpreises zustande gekommen ist.
Auch wenn Sie sich als minderjährige Person für das Online-Coaching angemeldet haben sollten, wäre der Vertrag ohne Zustimmung Ihres gesetzlichen Vertreters unwirksam.
Gesetzliches Rücktrittsrecht
Nach § 11 Abs 1 FAGG haben Sie als VerbraucherIn das Recht, von einem online abgeschlossenen Vertrag binnen 14 Tagen ohne Angabe von Gründen zurückzutreten. Dieses Recht ist zwingend. Sie können darauf nicht verzichten. Auch wenn Sie eine Checkbox angehakt haben, wonach Sie auf das Widerrufsrecht verzichten, ist ein solcher Verzicht unwirksam. Sie können dennoch den Vertrag widerrufen.
Das Widerrufsrecht könnte nur bei Verträgen über die Bereitstellung von digitalen Inhalten ausgeschlossen sein, aber auch dann nur unter sehr eingeschränkten Voraussetzungen. Sie müssten der sofortigen Bereitstellung der digitalen Inhalte zugestimmt haben, darauf hingewiesen worden sein, dass Sie dadurch das Rücktrittsrecht verlieren und eine Bestätigung des geschlossenen Vertrags sowie Ihrer Zustimmung zur sofortigen Bereitstellung der digitalen Inhalte per E-Mail oder auf einem sonstigen dauerhaften Datenträger erhalten haben. Nur wenn all diese Voraussetzungen vollständig vorliegen, wäre das Widerrufsrecht ausgeschlossen (§ 18 Abs 1 Z 11 FAGG). Wenn Sie Bestätigung des geschlossenen Vertrags sowie Ihrer Zustimmung zur sofortigen Bereitstellung der digitalen Inhalte per E-Mail oder auf einem sonstigen dauerhaften Datenträger erhalten haben, können Sie vom Vertrag zurücktreten und müssen auch keine Entschädigung für bereits konsumierte Inhalte leisten.
Bei Verträgen über Online-Coachings handelt es sich aber ohnehin zum Teil - wenn nicht zur Gänze - um Verträge über Dienstleistungen, weil die Coaching-Leistungen (d.h. Beratungsleistungen) als Dienstleistungen den Gegenstand des Vertrags bilden. Bei solchen Verträgen über Dienstleistungen kann das gesetzliche Rücktrittsrecht nur dann erlöschen, wenn die Dienstleistungen zur Gänze erbracht wurden. Wenn aber ein Vertrag über ein 12-Monate-Coaching geschlossen wurde, könnten die Dienstleistungen erst nach Ablauf der 12 Monate vollständig erbracht sein.
Verkürzung über die Hälfte
Nach § 934 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (AGBG) kann jemand die Aufhebung eines Vertrags verlangen, wenn der objektive Wert der einen Leistung weniger als die Hälfte des Werts der Gegenleistung wert ist. Man nennt dies „Verkürzung über die Hälfte“ oder „laesio enormis“. Es sollen damit Verträge für ungültig erklärt werden können, bei denen eine krasses Wertmissverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bei Vertragsabschluss besteht. Auf dieses Anfechtungsrecht können auch angehende Unternehmer nicht verzichten (§ 343 Abs 3 iVm § 351 Unternehmensgesetzbuch).
Bei den Online-Coachings wird der Wert der Coaching-Leistungen vielfach unter der Hälfte des Kaufpreises in Höhe von mehreren tausend Euro liegen. Wenn Sie sich also für ein Online-Coaching um einen hohen Kaufpreis angemeldet haben und im Gegenzug keine werthaltigen (bzw. unter der Hälfte des Kaufpreises im Wert liegende) Leistungen erbracht werden, können Sie den Vertrag anfechten bzw. diesen Anfechtungsgrund gegen eine Klage vor Gericht einwenden. Sie haben dieses Anfechtungsrecht als KonsumentIn und UnternehmerIn gleichermaßen.
Fazit
Im Ergebnis gibt es einige Argumente dafür, dass die hohen Geldforderungen für diese Online-Coachings nicht berechtigt sind oder zumindest wegen "Verkürzung über die Hälfte" angefochten werden können. Wenn Sie die Anmeldung für das Online-Coaching rückgängig machen wollen, sollten Sie jedenfalls gegenüber Ihrem Vertragspartner (d.h. meist gegenüber der Plattform wie CopeCart oder Digistore24) den Rücktritt (= Widerruf) vom Vertrag über das Online-Coaching erklären. Sofern es sich um einen Vertrag über Dienstleistungen handelt, ist der Rücktritt jedenfalls wirksam, auch wenn Sie vermeintlich auf Ihr Widerrufsrecht verzichtet haben sollten. Sofern Sie nicht ordnungsgemäß über Ihr Rücktrittsrecht aufgeklärt worden sind, können Sie auch bis zu 12 Monate nach dem Vertragsabschluss den Rücktritt (= Widerruf) erklären.
Die deutsche Youtuberin "Pocket Money" hat das Geschäftskonzept hinter einem dieser Online-Coaching Angebote genauer unter die Lupe genommen und ein sehr unterhaltsames und illustratives Video dazu erstellt. Sie kommt zum Ergebnis, dass mit dem Online-Coaching nur das Knowhow für die Erstellung von Online-Werbung für dasselbe Online-Coaching vermittelt werden soll. Die angeworbenen Personen (d.h. Personen, die sich für ein Online-Coaching anmelden) erlernen also nur, selbst weitere Personen für dasselbe Online-Coaching anzuwerben (d.h. Personen dazu zu bringen, sich für das Online-Coaching anzumelden).