Muss sich jede Person und jedes Unternehmen bewerten lassen?

  • Ob eine Bewertung zulässig ist, hängt von einer Einzelfallabwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht der bewerteten Person und der Meinungs- und Informationsfreiheit ab.
  • Die Art der Plattform, der Beruf der bewerteten Person, die Form der Bewertung und der Grad der Öffentlichkeit beeinflussen, ob eine Bewertung gerechtfertigt ist oder nicht.
  • Plattformen wie „Lernsieg“ und „Docfinder“ sind zulässig, da die Bewertungen sich auf die berufliche Tätigkeit und damit auf die Sozialsphäre der Personen beziehen.

Erhält ein Unternehmen sehr viele negative Bewertungen, kann es ein Interesse daran haben, dass sein Profil von der Bewertungsplattform entfernt wird. Für das Unternehmen wäre dies vorteilhaft, weil potentielle Kund:inn:en von den negativen Bewertungen abgeschreckt werden. Mit der Entfernung des Profils würde Konsument:innen allerdings wertvolle Informationsquelle genommen, weil sie die (negativen) Bewertungen anderer Nutzer:innen nicht mehr lesen können. Es stellt sich daher die Frage, ob sich jede Person und jedes Unternehmen bewerten lassen muss oder ob eine Person oder ein Unternehmen von einer Bewertungsplattform verlangen kann, dort nicht mehr angezeigt zu werden. Die Frage stellt sich auch bei anderen Akteuren wie z.B. Lehrer:innen, Uber-Fahrer:innen usw.

Abwägung zwischen Persönlichkeitsrecht und freie Meinungsäußerung

Bei der Bewertung eines Unternehmens oder einer Person stehen einander das Persönlichkeitsrecht der Person oder des Unternehmens und das Recht auf freie Meinungsäußerung der bewertenden Person sowie das Interesse der Allgemeinheit an Information auf der anderen Seite gegenüber. Im Einzelfall müssen diese beiden Interessen gegeneinander abgewogen werden.

Die Frage, ob sich eine Person oder ein Unternehmer auf einer Bewertungsplattform bewerten lassen muss, lässt sich daher nicht pauschal beantworten. Folgende Kriterien können für die Beurteilung wichtig sein:

  • Neutrale Informationsplattform oder Werbeplattform: Die Persönlichkeitsrechte werden bei einem „neutralen Medium“ weniger stark eingeschränkt als auf einer Werbeplattform. Je weniger die Bewertungsplattform eine "neutrale Informationsmittlerin" darstellt, die auch die Interessen der Nutzer:innen und der Öffentlichkeit wahrnimmt, desto stärker sind die Rechte der bewerteten Personen zu gewichten.
  • Konkreter Zweck der Plattform: Eine Plattform, auf der Personen öffentlich „an den Pranger gestellt“ werden, ist eher rechtswidrig als eine Plattform, die dem Informationsaustausch dient.
  • Art der bewerteten Tätigkeiten: Je öffentlicher eine Person tätig ist (z. B. eine Person, die ihre Dienstleistungen der Öffentlichkeit anbietet, wie ein:e Arzt:Ärztin), desto mehr muss eine solche „Personen des öffentlichen Interesses“ Bewertungen durch die Allgemeinheit dulden. Sind Personen nur in einer eingeschränkten Öffentlichkeit tätig wie in einer Schule oder auf einer Universität, müssen Bewertungen weniger geduldet werden.
  • Art der Bewertung: Werden nur Punkte oder Sterne vergeben, wird das Persönlichkeitsrecht weniger angegriffen als bei ausführlichen Bewertungstexten. Eine bloße Punktebewertung ist keine Beleidigung.
  • Grad der Veröffentlichung: Die Persönlichkeitsrechte werden auch eher bei Bewertungen gewahrt, die nur eingeschränkt öffentlich sind (zum Beispiel, wenn Lehrer:innen bewertet werden, diese aber nur für Schüler:innen dieser Schule einsehbar sind).
  • Maßnahmen des Plattformbetreibers zum Schutz der Persönlichkeitsrechte der bewerteten Person: Je mehr Maßnahmen auf einer Plattform umgesetzt werden, um den Schutz der Persönlichkeitsrechte zu gewährleisten und missbräuchliche Bewertungen zu verhindern, desto weniger wird ein Anspruch auf Löschung des Profils der bewerteten Person bestehen. Solche Maßnahmen könnten zum Beispiel eine Registrierungspflicht für bewertende Personen oder das Überprüfen der Authentizität von Bewertungen sein.

Der Oberste Gerichtshof hatte zuletzt über die Zulässigkeit der Lehrerbewertungsplattform „Lernsieg“ (6 Ob 129/21w) sowie der Ärztebewertungsplattform "Docfinder" (6 Ob 198/21t) zu urteilen. In beiden Fällen führte das Gericht eine Abwägung zwischen den Grundrechten auf Datenschutz, Privatsphäre, Anonymität, Ehre und guten Ruf der bewerteten Personen und dem Grundrecht auf Meinungsäußerung und Informationsfreiheit der Bewertungsplattform und deren Nutzer:innen durch und bewertete die Plattformen in beiden Fällen als zulässig. Ein wichtiger Aspekt dabei war der Umstand, dass die Bewertungen jeweils die Tätigkeit der bewerteten Personen bei der Berufsausübung (damit in deren "Sozialsphäre") betraf, die einen geringeren Schutz vor öffentlichen Äußerungen als die bloße Privatsphäre verdient.

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Letzte Änderung: 16.04.2025