Bewertungsplattformen werden immer zentraler und betreffen nicht mehr nur Unternehmen, sondern auch Einzelpersonen. Dadurch wird die Frage, ob sich jede Person oder jedes Unternehmen bewerten lassen muss, zunehmend wichtiger. Um diese Frage zu beantworten, müssen das Persönlichkeitsrecht der bewerteten Person oder des Unternehmens gegen das Interesse der Allgemeinheit an Information abgewogen werden.
Erhält ein Unternehmen sehr viele negative Bewertungen, kann es ein Interesse daran haben, dass sein Profil von der Bewertungsplattform entfernt wird. Für das Unternehmen wäre dies vorteilhaft, weil potentielle Kund:inn:en von den negativen Bewertungen abgeschreckt werden. Mit der Entfernung des Profils würde Konsument:innen allerdings wertvolle Informationsquelle genommen, weil sie die (negativen) Bewertungen anderer Nutzer:innen nicht mehr lesen können. Es stellt sich daher die Frage, ob sich jede Person und jedes Unternehmen bewerten lassen muss oder ob eine Person oder ein Unternehmen von einer Bewertungsplattform verlangen kann, dort nicht mehr angezeigt zu werden. Die Frage stellt sich auch bei anderen Akteuren wie z.B. Lehrer:innen, Uber-Fahrer:innen usw.
Bei der Bewertung eines Unternehmens oder einer Person stehen einander das Persönlichkeitsrecht der Person oder des Unternehmens und das Recht auf freie Meinungsäußerung der bewertenden Person sowie das Interesse der Allgemeinheit an Information auf der anderen Seite gegenüber. Im Einzelfall müssen diese beiden Interessen gegeneinander abgewogen werden.
Die Frage, ob sich eine Person oder ein Unternehmer auf einer Bewertungsplattform bewerten lassen muss, lässt sich daher nicht pauschal beantworten. Folgende Kriterien können für die Beurteilung wichtig sein:
Der Oberste Gerichtshof hatte zuletzt über die Zulässigkeit der Lehrerbewertungsplattform „Lernsieg“ (6 Ob 129/21w) sowie der Ärztebewertungsplattform "Docfinder" (6 Ob 198/21t) zu urteilen. In beiden Fällen führte das Gericht eine Abwägung zwischen den Grundrechten auf Datenschutz, Privatsphäre, Anonymität, Ehre und guten Ruf der bewerteten Personen und dem Grundrecht auf Meinungsäußerung und Informationsfreiheit der Bewertungsplattform und deren Nutzer:innen durch und bewertete die Plattformen in beiden Fällen als zulässig. Ein wichtiger Aspekt dabei war der Umstand, dass die Bewertungen jeweils die Tätigkeit der bewerteten Personen bei der Berufsausübung (damit in deren "Sozialsphäre") betraf, die einen geringeren Schutz vor öffentlichen Äußerungen als die bloße Privatsphäre verdient.
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Letzte Änderung: 19.09.2022